Kelkheim, die Stadt im Grünen

Im Überblick habt ihr erfahren, dass fast 42 % (1.285 ha) des Stadtgebietes Wälder sind. Das entspricht, wie dort erläutert, so ungefähr der Fläche von 1.800 Fußballplätzen.

Am waldreichsten ist der Stadtteil Hornau (290 ha) gefolgt von Fischbach (280 ha) sowie Ruppertshain (265 ha) und Eppenhain (260 ha). Deutlich geringer sind die Waldflächen in Kelkheim-Mitte (105 ha) und Münster (95 ha). Die Werte sind jeweils gerundet.

Jetzt ist es natürlich interessant zu erfahren, wem der Wald gehört.

Wem gehört der Wald im Stadtgebiet von Kelkheim?

Über die Hälfte des Waldes im Stadtgebiet (699 ha oder rund 54 %) gehören der Stadt Kelkheim: der Stadtwald Kelkheim. Über 40 % (290 ha) liegen im Stadtteil Hornau.

Der zweite große Waldbesitzer mit einer Fläche von rund 400 ha ist das Land Hessen mit dem Staatsforst Hessen. Die Wälder liegen je etwa zur Hälfte in Ruppertshain und Eppenhain.

An dritter Stelle kommt sicher etwas unerwartet der Stadtwald Frankfurt mit rund 144 ha im Stadtteil Fischbach.

Der verbleibende Anteil von rund 50 ha entfällt auf Privatwald, er gehört also Privatpersonen oder Gesellschaften.

Geschichte

Wie ist unsere Stadt zur Eigentümerin des heutigen Stadtwalds geworden?  Sehr intensiv hat sich damit vor gut 30 Jahren ein ehemaliger Kelkheimer Mitbürger beschäftigt. In seinem Beitrag „Wie die Kelkheimer zu ihrem Wald kamen“ für das Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises „Zwischen Main und Taunus 1992“ hat Gerd S. Bethke mit sehr vielen Details diese Frage beantwortet.

Ein Großteil des heutigen Stadtwaldes gehörte zur sogenannten Oberliederbacher Mark. Daneben hatten die 6 Stadtteile als ehemals eigenständige Ortschaften seit vielen Jahrhunderten auch bereits Gemeindewälder.

Gemeindewälder

Ein Beispiel für einen Gemeindewald mit interessanter Geschichte ist ein größeres Waldstück von fast 48 ha in Hornauer Gemarkung. Auf der Karte am Ende des Beitrags ist es rechts oben, direkt unterhalb von Schneidhain, wie ein Segel zu erkennen.

Die Geschichte im Detail ergibt sich aus einem Beitrag „Die Flurnamen von Hornau (Main-Taunus-Kreis)“ von Gerd S. Behnke in der Zeitschrift „Rad und Sparren“ des Historischen Vereins Rhein-Main-Taunus e.V. (Nr.38 aus 2008).

Hier noch einige wenige Daten zur wechselvollen Geschichte dieses Areals:

1484 – Beschwerde der Kelkheimer, andere Orte der Oberliederbacher Mark würden den Wald benutzen, den sie vom Bartholomäusstift hätten

1560 – Rechtsstreit zwischen Oberliederbacher Mark und Bartholomäusstift mit den Dörfern Kelkheim und Hornau (nie beendet)

1790 – Aufteilung der gemeinschaftlichen Waldungen zwischen Hornau und Kelkheim.

Oberliederbacher Mark

Bis 1808 waren wesentliche Teile des heutigen Stadtwaldes Teil des Gemeinschaftswaldes in der Waldgenossenschaft „Oberliederbacher Mark“. Der Name kommt vom Markgericht, das jährlich am 18. Dezember in Oberliederbach stattfand. Ein genaues Entstehungsdatum (älteste Dokumente aus dem 12. Jahrhundert) ist nicht mehr nachweisbar.

Aus der Markordnung ergaben sich u.a. die jeweiligen Nutzungen des Gemeinschaftswaldes. Geregelt wurde wie viel Holz die einzelnen Orte als Bauholz oder Brennholz entnehmen durften. Es wurde aber zum Beispiel auch geregelt, wer, wo und wann seine Schweine in den Wald treiben durfte. Das war wichtig, da die Früchte von Buchen und Eichen, nämlich Bucheckern und Eicheln, ein begehrtes Futter in der Schweinemast waren.

In der Oberliederbacher Mark waren 20 Ortschaften zusammengeschlossen. Neben den 6 Kelkheimer Orten unter anderem auch die heutigen Frankfurter Stadtteile Höchst, Sindlingen, Zeilsheim, Sossenheim und Unterliederbach, sowie 3 Einzelhöfe (Gimbach, Rettershof und Hof Hausen vor der Sonne).

„Obermärker“ mit besonderen Rechten (z.B. Jagdrecht) waren u.a. die Herren von Eppstein und ab 1802 die Herzöge von Nassau.

Einige dieser Ortschaften (z.B. Höchst und Sindlingen) lagen weit außerhalb des Gebietes der Oberliederbacher Mark, die sich deutlich über das heutige Stadtgebiet von Kelkheim hinaus bis Eppstein und dem Nordhang des Eichkopfberges erstreckte.

Um 1800 war der Gemeinschaftswald aufgrund des Eigennutzes der Waldgenossen weitgehend verödet. Der Herzog von Nassau als neuer Obermärker organisierte die Auflösung.

Die Auflösung der Oberliederbacher Mark

1808 wurde die Oberliederbacher Mark aufgelöst. Im Markgebiet liegende Ortschaften, so auch die heutigen 6 Kelkheimer Stadtteile, erhielten Wälder innerhalb ihrer jeweiligen Gemarkung. Anderen Markgenossen, z.B. Höchst, Sindlingen, Zeilsheim und Hattersheim wurden Waldgebiete fernab ihrer eigenen Gemarkung im heutigen Stadtgebiet von Kelkheim zugeteilt.

Ein besonderer Fall war Kriftel, der erst 1977 „gelöst“ wurde: er ist im Abschnitt „Spezialfall Kriftel“ näher erläutert.

Noch kurz ein Ausflug zum Begriff „Gemarkung“ (mittelalterlich für Grenze).

Alle Grundstücke in Deutschland sind nach Lage und Eigentumsverhältnissen dokumentiert. Die Lage ist im Liegenschaftskataster und die Eigentumsverhältnisse sind im Grundbuch erfasst, jeweils noch mit mehreren weiteren Angaben. Die Grundstücke einer Gemeinde oder eines Stadtteils liegen meistens in der gleichnamigen Gemarkung. Im Stadtgebiet von Kelkheim gibt es je Stadtteil eine Gemarkung. Alle Grundstücke in Fischbach sind also im Grundbuch und im Kataster als „Gemarkung Fischbach“ erfasst. Innerhalb der Gemarkung werden die Grundstücke in Flur und Flurstück eingeteilt.

Die Aufteilung der Markwälder

Bei der Aufteilung wurden der Baumbestand, die Bodenbeschaffenheit und vor allem die Anzahl von Haushalten der Orte zugrunde gelegt; dabei wurden je Ort die Einwohner namentlich erfasst.

Interessant ist die Anzahl der Haushalte in den 6 heutigen Stadtteilen um 1805, die der Aufteilung zugrunde lag:

Kelkheim: 80 (8.900)

Hornau: 63 (4.300)

Münster: 68 (7.300)

Fischbach: 82 (5.900)

Ruppertshain: 31 (2.200)

Eppenhain: 22 (1.100)

Die Haushalte hatten im Durchschnitt 5 Bewohner. Es waren also alle heutigen Stadtteile kleine Dörfer. In Klammern ist die Einwohnerzahl in den Stadtteilen Ende 2021 angegeben. Damit ist die Einwohnerzahl von rund 1.700 im Jahr 1805 auf 29.700 Ende 2021 ungefähr siebzehnmal größer geworden.

Die den 6 Orten zugeteilte Waldfläche entspricht ziemlich genau diesem Größenverhältnis; Baumbestand und Bodenbeschaffenheit spielten keine bedeutende Rolle.

Die Urkunde (6 Seiten und 12 Paragrafen) liegt im Original im Frankfurter Stadtarchiv. Die Einleitung und der letzte Paragraf sowie der Paragraf 9 mit der Aufteilung des Waldes auf die Markgenossen sind auf den folgenden Seiten abgebildet.

Für viele von euch ist es bestimmt schwer, die Schrift von damals zu lesen.

Die Aufteilung nach alten Flächenmaßen (Morgen, Ruthen, Schuh und Zoll) ist in Paragraf 9 der Urkunde dargestellt. Die Umrechnung der Flächen von Morgen in Hektar (= 10.000 Quadratmeter) ist dabei nicht ganz einfach. Es sind wohl 2.625 Quadratmeter je Morgen.

In verschiedenen Beiträgen werden unterschiedliche Umrechnungen genannt. Dabei spielt wohl auch die nicht dokumentierte Zuordnung von Wegen und „Steinfelsen“ von insgesamt 56 Morgen zu den jeweiligen Waldgebieten der Markgenossen eine Rolle.

Vorab wurde der Obermärker, der Herzog von Nassau, mit 400 Morgen bedacht. Den deutlich größten Anteil bekam die einzige Stadt unter den Markgenossen; die Stadt Höchst mit 447 Morgen. Alle übrigen Markgenossen hatten damals noch keine Stadtrechte und sind als Gemeinden aufgelistet.

Eine „Generalcharte“ von 1805 zeigt die örtliche Verteilung auf die jeweiligen „Märkergemeinden“. Mit wenigen Ausnahmen, vor allem Niederhofheim, Lorsbach, Eppstein und Schlossborn bilden die Außengrenzen dieser zugeteilten Waldflächen heute die Stadtgrenze von Kelkheim.

Die Karte von 1805 zeigt, dass sich die Wälder der Mark aus insgesamt vier nicht verbundenen „Districten“ zusammensetzten. Inmitten liegen die heutigen sechs Stadtteile von Kelkheim. Fischbach und Kelkheim wurden jeweils Wälder aus zwei der „Districte“ zugeteilt.

Es gab zwei recht große Gebiete (Der Staufen und Der Eichkopf) und zwei kleinere Flächen (Der Rossert und Das Dickenet).

Der Staufen (451 m), der Rossert (518 m) und der Eichkopf (563 m; der Gipfel liegt unweit der Stadtgrenze in der Gemeinde Glashütten) sind auch die höchsten Erhebungen im Stadtgebiet. Die Wälder ringsherum sind beliebte Ausflugsziele für Wanderungen, Jogging und Radtouren.

Wesentliche Veränderungen nach der Auflösung der Oberliederbacher Mark

Nach der Auflösung der Oberliederbacher Mark im Jahr 1808 kam es zu zahlreichen Käufen und Verkäufen der den jeweiligen Orten zugeteilten Waldflächen.

Zeitnah zur Aufteilung erwarb z.B. Hornau 1809 den Höchst zugeteilten Wald. Ruppertshain erwarb 1810 den Wald von Zeilsheim, der rund 10 km von Zeilsheim entfernt lag. Der Kaufpreis lag bei 2.300 Gulden für rund 27 ha Wald. Ruppertshain vergrößerte damit seinen Waldbestand um mehr als das Doppelte.

Staatsforst Hessen und Stadtwald Frankfurt

Der Herzog von Nassau erhielt für die aufgegebenen Markrechte 400 Morgen Wald am Eichkopf und Rossert. Dieser Wald ist heute Teil des Hessischen Staatsforstes auf Kelkheimer Stadtgebiet (insgesamt rund 400 ha).

Durch Zukäufe gehören auch die den heutigen Frankfurter Stadtteilen Unterliederbach und Sossenheim sowie die Okriftel und Oberliederbach zugeteilten Wälder heute zum Staatsforst Hessen.

Die Wälder des Staatsforsts Hessen liegen in den Gemarkungen Eppenhain und Ruppertshain mit je rund 200 ha.

Auch der im Stadtteil Fischbach liegende Stadtwald Frankfurt von insgesamt 144 ha ist auf die Auflösung der Mark zurückzuführen. Es sind die ehemaligen Wälder von Sindlingen (durch Eingemeindung) und Hattersheim (durch Kauf im Jahr 1938). Ihr dürft euch also nicht wundern, wenn ihr bei einer Wanderung oberhalb des Gimbacher Hofes das Schild „Stadtwald Frankfurt“ seht; ihr seid immer noch im Kelkheimer Stadtgebiet.

Spezialfall Krifteler Wald

Bis Ende 1976 war es jedoch durchaus möglich, vermeintlich im Kelkheimer Stadtwald zu wandern, aber tatsächlich auf Krifteler Gemarkung zu sein. Der bei Aufteilung der Oberliederbacher Mark der Gemeinde Kriftel zugeordnete Wald lag bis Ende 1976 in Krifteler Gemarkung. Er lag fernab von Kriftel als „Exklave“ zwischen den Gemarkungen Kelkheim, Fischbach und Hofheim-Lorsbach.

Zum 1.1.1977 wurden die rund 44 ha Krifteler Wald zum Kelkheimer Wald und Kelkheimer Gemarkung. Gemäß § 3 des Gesetzes zur „Neugliederung des Main-Taunus-Kreises und der Stadt Wiesbaden“ wurden aus der Gemeinde Kriftel die Flurstücke „Gemarkung Kriftel, Flur 29“ in die Stadt Kelkheim eingegliedert.

Im Zusammenhang mit der Gebietsreform wurde der Krifteler Wald gemäß einstimmigem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung Kelkheim vom 26.6.1974 (Punkt 5: Erwerb von 44 ha Wald im Gebiet Gundelhardt/Staufen) zum Preis von 1,50 DM je qm = rund 662 Tausend DM (Deutsche Mark) von der Gemeinde Kriftel erworben. Die DM wurde zum 1.1.2002 durch den Euro abgelöst (1 Euro = 1,96 DM).

In dem Gesetz wurde im Übrigen auch der Zusammenschluss der Stadt Kelkheim und der Gemeinden Fischbach und Rossert (Ruppertshain und Eppenhain) geregelt.

Rettershof und Gimbacher Hof

Neben dem Hofgut Hausen auf Hofheimer Gemarkung waren auch die zwei im heutigen Stadtgebiet liegenden Höfe Gimbach und Retters (in der Urkunde von 1808 „Röders“ genannt) eigenständige Markgenossen. Beide sind heute Ausgangspunkte für Waldwanderungen, sehr beliebt und über die Stadtgrenzen hinaus bekannt als Ausflugsziele.

Der Gimbacher Hof ist unverändert im Privatbesitz und damit auch der zugehörige Wald.

Der Rettershof ist nach vielen Eigentümerwechseln seit 1980 im Besitz der Stadt Kelkheim.

Die Stadtverordnetenversammlung vom 19.10.1979 beschloss nach langer Diskussion mit großer Mehrheit den Kauf des Rettershofes. Der Kaufpreis betrug 9,1 Millionen DM (ungefähr 4,6 Millionen Euro). Insgesamt wurden rund 110 ha Grund und Boden erworben. Davon entfielen rund 45 ha auf Waldgebiete, die damit Stadtwald Kelkheim wurden.

Mehr über die Geschichte des Rettershofes findet ihr in einem gesonderten Beitrag auf dieser Website.

Aktuelle Karte Stadtwald Kelkheim

Bei einem Blick auf die aktuelle Verteilung des Stadtwaldes Kelkheim (auf der Karte in Gelb) im Stadtgebiet könnt ihr viele der in der „Generalcharte“ von 1805 dargestellte Waldgebiete leicht wiederfinden.

Auf der Karte sind viele Zahlen zu erkennen. Es sind die Kennzahlen für die sogenannten „Abteilungen“. Die Wälder wurden, wohl schon um 1860 durch die preußische Verwaltung, in Abteilungen unterteilt.

Als Beispiel sind in dem unter „Gemeindewälder“ erläuterten Abschnitt (Segelform rechts oben neben Schnaidhain) die Zahlen 16, 17, 24 und 25 erkennbar. Über die Abteilung 25 erfahrt ihr mehr im Kapitel „Grundlagen und Planungen“.

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Klaus Höfer

Rotary Club Kelkheim

Stand Februar 2025