Im Lauf der Zeit verlor das Handwerk auch in Kelkheim an Bedeutung. Grund dafür ist eine Entwicklung, die Industrielle Revolution genannt wird. Ab dem 18. Jahrhundert gab es eine Reihe von Erfindungen, die dazu beitrugen, dass sich die gesamte Gesellschaft veränderte. 1712 wurde die erste Dampfmaschine entwickelt, die zum Beispiel Mühlen und später auch die ersten Straßenfahrzeuge automatisch antrieb. 1764 erfand der englische Weber James Hargreaves eine Maschine namens „Spinning Jenny“, die erste industrielle Spinnmaschine. Die Dampfmaschine und die „Spinning Jenny“ werden oft als Startschüsse der Industriellen Revolution genannt. Sie führte dazu, dass viele Menschen nicht mehr auf dem Feld oder in Werkstätten arbeiteten, sondern in die Städte zogen und zum Arbeiten in die Fabrik gingen.
Industrie, das bedeutet nichts anderes als Produktion und Weiterverarbeitung. In Kelkheim, vor allem im Stadtteil Münster, gibt es gleich eine ganze Reihe an Straßen, die ihren Namen der Industrie verdanken. In Münster gibt es sogar eine Straße, die einfach Industriestraße heißt. Sie soll an die generelle Entwicklung erinnern, die die Industrie mit sich gebracht hat, und an den wachsenden Wohlstand. Denn während die Bauern und Weber früher oft sehr arm waren, brachte die heutige Form der Arbeit in Betrieben nach und nach auch bessere Lebensumstände mit sich. In Kelkheim war allerdings nie geplant, Industrie anzusiedeln; der Name der Straße lässt sich wohl auf eine falsche Entscheidung der Stadtverordneten in den 1960er Jahren zurückführen.
Viele andere Straßen sind nach bedeutenden Unternehmensgründern oder Erfindern benannt.
Den Namen Opel kennt in unserer Region fast jeder. Denn von den Opel-Werken in Rüsselsheim, nur 35 Kilometer entfernt von Kelkheim, werden Opel-Autos in die ganze Welt geliefert. Gründer Adam Opel wurde 1837 in Rüsselsheim geboren und lernte den Beruf des Schlossers. 1862 gründete er seine eigene Nähmaschinenmanufaktur. Eine Manufaktur ist, im Gegensatz zu einer Fabrik, ein Unternehmen, in dem Dinge von Hand gebaut werden. 1886 begann Opel, Fahrräder herzustellen, und er war so gut darin, dass sich seine Fahrradfirma schnell zum größten Fahrradhersteller Deutschlands entwickelte.
Doch auch, wenn das unglaublich klingt: Mit Autos hatte Adam Opel selbst gar nichts zu tun. Er hätte sich sicher auch nicht vorstellen können, dass heute einmal jeder seinen Namen mit einer bekannten Automarke in Verbindung bringen würde. Doch es stimmt, den Geschäftszweig Automobil eröffneten seine Frau und seine fünf Söhne erst ein Jahr nach Adam Opels Tod im Jahr 1895. Man erzählt sich, dass Adam Opel mal beim Anblick eines Automobils ausgerufen haben soll: „Aus diesem Stinkkasten wird nie mehr werden als ein Spielzeug für Millionäre, die nicht wissen, wie sie ihr Geld wegwerfen sollen!“
Ob das stimmt oder ob es nur eine lustige Geschichte ist, wissen wir aber natürlich nicht. Teile der Familie bekamen 1918 den Adelstitel verliehen und hießen seitdem nicht mehr nur Opel, sondern von Opel. Bestimmt warst du schon mal im Opel-Zoo? Der Zoo wurde gegründet von Georg von Opel, Adam Opels Enkel.
Namensgeber für die Benzstraße ist Carl Benz (1844-1929). Er baute das erste Auto mit Verbrennungsmotor. Das bedeutet, er hatte die Idee, Benzin zu verbrennen, um dem Motor Energie zuzuführen. Als er 1886 damit zum ersten Mal durch die Straßen Mannheims fuhr, trauten die Menschen ihren Augen kaum – sie sahen in der Erfindung eine Kutsche, die sich ganz ohne Pferde bewegte!
Carl Benz gilt als Erfinder des modernen Autos. Noch heute fahren wir mit Verbrennungsmotoren. Seinen Namen findet man auch jetzt noch im Firmennamen „Mercedes Benz“.
Früher gab es in dieser Straße einen Betrieb, der Ziegel herstellte. Später kaufte die Hoechst AG das Gelände und ließ Mitte der 70er Jahre für ihre Mitarbeiter dort Wohnungen bauen.
Benannt ist die Straße nach dem Chemiker Dr. Adolf Brüning (1837-1884). Er wurde 1865 als Teilhaber in die Chemische Fabrik in Höchst aufgenommen, die sich dann seit 1867 „Meister, Lucius & Brüning“ nannte.
Es gibt Autos, die mit Benzin fahren – und Autos, die einen Dieselmotor haben. Der Erfinder des Dieselmotors war Rudolf Diesel, ein deutscher Maschineningenieur, der 1858 geboren wurde und der 1913 im Kanal zwischen England und Frankreich ertrunken ist. Rudolf Diesel beschäftigte sich mit Maschinen, er erfand eine Verbrennungskraftmaschine, die sich von der Idee von Carl Benz unterschied, und schrieb auch darüber in der Schrift „Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors“.
Der Dieselmotor unterscheidet sich vom Verbrennungsmotor dadurch, dass der Kraftstoff im Dieselmotor sich selbst durch erhitzte Luft entzündet. Das, was er sich damals ausdachte, benutzen auch wir heute noch. Eindrucksvoll, oder?
Die Fifestraße ist nach dem Unternehmen FIFE GmbH benannt, das dort auch seinen Sitz hat. FIFE produziert Teile, die in der Industrie an Herstellungsbahnen und Bändern gebraucht werden: Regler, Sensoren, aber auch Zubehör für die Inspektion.
Auf diesem Gebiet ist FIFE sogar weltweit führend. Zwar wurde das Unternehmen 1939 von Irwin Fife in den USA gegründet, doch seit 1969 entwickelt und produziert es in Kelkheim.
Diese Straße ist benannt nach Lise Meitner, einer bedeutenden österreichischen Kernphysikerin, die 1878 in Wien geboren wurde und 1968 in Cambridge (England) starb. Zu Lebzeiten wurde Lise Meitner mit 21 wissenschaftlichen Preisen ausgezeichnet.
Das ist sehr ungewöhnlich, weil Frauen zu dieser Zeit noch nicht so aktiv in Naturwissenschaften forschten wie heute. Unter anderem bekam sie fünfmal die Ehrendoktorwürde verliehen. Obwohl Lise Meitner drei Mal dafür nominiert wurde, wurde sie nie mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.
Das chemische Element Meitnerium wurde 1997 nach ihr benannt. Mittlerweile gibt sie selbst Auszeichnungen ihren Namen: Der Lise-Meitner-Preis für Kernphysik der Europäischen Physikalischen Gesellschaft ist nach ihr benannt, genauso wie der Lise-Meitner-Literaturpreis.
Die Max-Planck-Straße ist benannt nach dem weltbekannten Physiker Max Planck. Er lebte von 1858 bis 1947 und forschte auf dem Gebiet der theoretischen Physik und Quantenphysik. 1918 bekam er den Nobelpreis für seine Entdeckungen.
Die deutsche Marke Siemens ist weltweit bekannt. Vielleicht habt auch Ihr ein Siemens-Elektrogerät zu Hause? Im Jahr 1847 gründete Werner Siemens zusammen mit dem Feinmechanikermeister Johann Georg Halske in Berlin die Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske in Berlin. Siemens kannte sich aus, denn er war Ingenieuroffizier in der Berliner Artilleriewerkstatt und Teil der Preußischen Telegraphenkommission. Er hatte ein schon existierendes Gerät, den Zeigertelegraf, durch Umbauten maßgeblich verbessert und wollte ihn nun selbst mit seinem Geschäftspartner verkaufen.
Vielleicht hast du schon einmal von einem Telegraphen gehört, damit konnte man früher, bevor es Telefon und Internet gab, über weitere Strecken miteinander kommunizieren und Nachrichten schicken. In den Jahren nach der Gründung wuchs die Firma schnell und wurde zu einem der weltweit größten Elektrounternehmen. 1850 eröffnete eine Zweigstelle in London (England), 1855 in Sankt Petersburg (Russland), 1892 sogar in Tokio (Japan).
Heute ist Siemens ein weltweit tätiges Technologie-Unternehmen.
(Anne Zegelman / Quelle: Dietrich Kleipa)