Straßennamen in Erinnerung an Vertreibungen

Der Zweite Weltkrieg (1939 bis 1945) brachte viel Leid und kostete Millionen Menschen das Leben. Doch auch, nachdem Deutschland besiegt war, hatte der Krieg noch Auswirkungen. Denn nachdem die Grenzen im sogenannten Potsdamer Abkommen (1945) neu gezogen worden waren, fielen einige Gebiete, die früher zu Deutschland gehörten, Polen und Russland zu. Das waren die Gebiete Schlesien (Polen), Pommern (Polen), und Ostpreußen (Polen und Russland).

Die Deutschen, die dort lebten, wurden vertrieben, viele wurden auch getötet. Die Städte bekamen neue polnische oder russische Namen. Auf der Suche nach einer neuen Heimat kamen die Vertriebenen in andere Städte. Sie brauchten eine Unterkunft, weshalb in vielen Orten schnell Wohnraum geschaffen werden musste.

In Münster gibt es ein ganzes Viertel, das nach Gebieten benannt ist, aus denen Menschen vertrieben wurden. Die Häuser in diesen bestimmten Straßen sind dennoch nicht ausschließlich für Vertriebene gebaut worden, sondern die Namen sollen einfach an die verlorenen ostdeutschen Gebiete und ihre Städte erinnern. Auch aus Tschechien wurden viele bis dahin deutsche Staatsbürger vertrieben, allerdings sind in Kelkheim keine Straßen nach tschechischen Orten benannt.

Allenstein liegt in Ostpreußen und wurde nach dem krieg in Olsztyn umbenannt. Die Stadt hat rund 176.000 Einwohner. Die Stadt ist an einem Fluss namens Alle gebaut, der ihr ihren ursprünglichen Namen gab.

Beuthen ist eine Großstadt in Schlesien im südlichen Teil des heutigen Polens. Sie liegt ungefähr 320 Kilometer südwestlich der Landeshauptstadt Warschau und rund 85 Kilometer nordwestlich von Krakau.

Nach dem Krieg wurde Beuthen in Bytom umbenannt. Heute leben dort 173.439 Einwohner. Früher lebten die Menschen vom Steinkohlebergbau und es gab zahlreiche Bergbaugruben. Heute ist nur noch die Carsten-Zentrum-Grube übrig.

Breslau war eine reiche und bis heute sehr angesehene Universitätsstadt, an der zahlreiche berühmte Wissenschaftler und Denker lernten und lehrten. Sie liegt direkt am Fluss Oder in Schlesien und hat heute über 630.000 Einwohner. Nach dem Krieg fiel Breslau an Polen und heißt seitdem Wrocław .

Sie gehört zu den schönsten Städten der Region und wurde deshalb für das Jahr 2016 zur Kulturhauptstadt Europas erkoren. Berühmt ist die Breslauer Jahrhunderthalle (1911/1913) des Architekten Max Berg. Sie war Vorbild für die Frankfurter Festhalle und ist seit 2006 UNESCO Weltkulturerbe. Breslau war 2012 einer der Austragungsorte der Fußballeuropameisterschaft.

Danzig ist eine Hafenstadt in Pommern, heute Polen. Sie liegt in der Nähe des Flusses Weichsel und hat jetzt über 460.000 Einwohner.

Danzig hat sich mit den Nachbarstädten Gdynia und Sopot zu einer großen Kommune zusammengeschlossen und bildet zusammen mit ihnen die Dreistadt Trójmiasto mit mehr als 740.000 Einwohnern. Im Einzugsgebiet von Danzig leben 1,2 Millionen Menschen. Nach dem Krieg wurde die Stadt in Gdańsk umbenannt.

Das Egerland (tschechisch Chebsko) ist nicht nur eine Stadt, sondern eine ganze Region, die heute im Westen Tschechiens liegt. Auch Teile von Oberfranken und der Oberpfalz, die ans Egerland angrenzen, gehören im weiteren Sinne dazu.

Die Region ist benannt nach der Stadt Eger (tschechisch Cheb). Bis Kriegsende 1945 lebten dort hauptsächlich Deutschböhmen, doch sie wurden gewaltsam vertrieben.

Gleiwitz ist eine Stadt in Oberschlesien, die seit 1945 im Süden Polens liegt und Gliwice heißt.

Sie hat rund 200.000 Einwohner und eine lange Geschichte: Bereits im 13. Jahrhundert wurde Gliwice gegründet, damit ist sie eine der ältesten Städte in Oberschlesien.

Glogau liegt rund 100 Kilometer nordwestlich der niederschlesischen Hauptstadt Breslau an der Oder.

Nach dem Krieg wurde Glogau polnisch in Głogów umbenannt. Heute leben dort 68.997 Einwohner.

Anders als die anderen Orte, nach denen Straßen benannt sind, ist Hirschberg keine große Stadt, sondern nur ein kleines Dorf, in dem selten mehr als 1000 Menschen gelebt haben.

Es liegt in Ostpreußen. Nach Kriegsende fiel das Dorf Polen zu und heißt seitdem Idzbark.

Bei den meisten neuen polnischen Stadtnamen kann man noch eine Ähnlichkeit zum vorherigen deutschen Namen erkennen.

Nicht so bei der früheren Stadt Insterburg, die nach dem Krieg Russland zufiel. Die Russen benannten die Stadt in Tschernjachowsk um, nach General Iwan Tschernjachowski.

Nach dem Krieg gab es dort ein Internierungslager, in dem deutsche Kriegsgefangene festgehalten wurden und viele auch starben. In Tschernjachowsk leben heute rund 41.680 Einwohner.

Die Stadt Königsberg im früheren Preußen wurde 1946 in Kaliningrad umbenannt. Sie war bis zum Kriegsende Hauptstadt von Ostpreußen und dessen kulturelles und wirtschaftliches Zentrum.

Nach dem Krieg fiel sie an Russland, viele Deutsche wurden zwangsweise ausgesiedelt. Heute leben dort 432.000 Einwohner.

Küstrin ist eine Kleinstadt im Westen Polens, in der rund 18.000 Menschen wohnen. Seit 1945 heißt sie Kostrzyn nad Odrą. Durch Küstrin fließt die Oder.

Nach dem Krieg wurde der größere Teil Polen zugesprochen, während der Teil der Stadt westlich der Oder heute immer noch zu Deutschland gehört. Er ist Teil der brandenburgischen Gemeinde Küstriner Vorland und trägt als Stadtteil den Namen Küstrin-Kietz (868 Einwohner).

Die schlesische Stadt Liegnitz, auf Polnisch Legnica, ist eine Großstadt im südwestlichen Polen.

Dort gibt es viele Fabriken, die Stoffe und Kleidung herstellen und die Metall verarbeiten. In Liegnitz leben 101.992 Menschen.

Die Memel ist ein Fluss, der durch Weißrussland, Litauen und Russland fließt. Nach ihm benannt war ein Teil Ostpreußens namens Memelland, der seit 1945 zu Litauen gehört.

Bevor die Stadt nach dem Krieg Litauen zugesprochen wurde, hatte der Landstreifen 145.000 Einwohner.

Diese Straße erinnert wie die Egerländer Straße und die Straßen mit Städtenamen aus Schlesien, Pommern und Ostpreußen an die verlorene Heimat vieler Kelkheimer Bürger.

Münnichwies, so die richtige Schreibweise, ist ein kleines Dorf in der mittleren Slowakei mit rund 4000 Einwohnern. Sein slowakischer Ortsname ist Vrícko. Der ehemals deutschsprachige Ort zählte zum Hauerland, eines der vier deutschen Siedlungsgebiete in der Slowakei.

Die westpommersche Hafenstadt Stettin fiel nach dem Krieg an Polen und heißt seitdem Szczecin. Sie liegt rund 120 Kilometer nordöstlich von Berlin an der Oder.

Stettin hat einen großen Hafen, es gibt drei Universitäten und mehrere private Hochschulen. In der Region Stettin wohnen über 760.000 Einwohner.

Die ostpreußische Stadt Tilsit fiel nach dem Krieg Russland zu und wurde in Sowetsk umbenannt.

Sie liegt direkt an der Grenze zu Litauen und hat 41.705 Einwohner.

Ein Straßenname erinnert auch an Frankfurter Familien, die im Zweiten Weltkrieg ihr Zuhause verloren: Neue Heimat (Münster). 1944 fanden dort sieben ausgebombte Familien aus Frankfurt als erste eine neue Heimat.

Sie fällten einen Teil der Bäume im Herrnwald und bauten auf dem von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestellten Boden Häuser, die alle gleich aussehen. Der Kelkheimer Architekt Heinrich Müller hatte die Pläne entworfen und bestand darauf, dass die Häuser ohne Änderung genau so gebaut wurden. Sie hatten nur ein Wohn-Schlafzimmer und eine Küche und waren zusammen etwas über 20 Quadratmeter groß.

Das Material, das für den Bau gebraucht wurde, bekamen die Familien nur, wenn sie nachweisen konnten, dass sie wirklich bedürftig waren. Das konnten sie mit sogenannten Bezugsscheinen. Die Nachbarn halfen dabei, eine Wasserleitung zu legen, und alle gemeinsam gruben einen Brunnen. Die Familien hatten die Grundstücke zunächst nur gepachtet, doch nach der Währungsreform 1948 bot die Stadt ihnen an, sie für 0,90 Mark pro Quadratmeter zu kaufen.

Eine Bedingung wurde aber von der Stadt gestellt: Die kleinen, einheitlichen Häuser sollten schnell abgerissen und die Grundstücke mit richtigen Häusern bebaut werden.

(Anne Zegelman / Quelle: Dietrich Kleipa)