Geboren wurde er unter dem Namen Johannes Bückler, wahrscheinlich im Herbst 1779 bei Nastätten im Taunus. Er hatte sechs weitere Geschwister, von denen einige früh gestorben sind.
Wenn du im Wald zwischen dem Gimbacher Hof, der Gaststädte Gundelhard und weiter Richtung Eppstein unterwegs bist, so findest du an einigen Bäumen Hinweisschilder mit der Bezeichnung Taunus-Schinderhannes-Steig. Er bildet einen Teil des sogenannten Schinderhannespfades, einem 38 Kilometer langen Wanderweg bis nach Weilrod im Hochtaunuskreis.
Das Foto, das du oben siehst, wurde gemalt von K.M. Ernst im November 1803.
Ein Wanderweg, der nach einem Verbrecher und Mörder benannt ist? Das finden viele etwas merkwürdig. Außerdem sei es gar nicht sicher, ob dieser Räuber jemals genau hier unterwegs gewesen sein soll, heißt es.
Aber spannend klingt es auf jeden Fall. Und es macht neugierig, wer denn dieser sogenannte Schinderhannes war, der als Räuberhauptmann mit seiner Bande im Taunus und darüber hinaus vor vielen Jahren sein Unwesen getrieben haben soll und viele Menschen in Angst und Schrecken versetzt hat. Jemand, der viel Unheil und Leid in viele Familien gebracht haben soll.
Aber gab es ihn denn wirklich, den Schinderhannes? Wir haben eine ganze Menge Informationen über ihn für dich zusammengetragen. Klicke unten hier, wenn du mehr wissen möchtest.
Wer war dieser Mensch? Wann lebte er? Was macht ihn noch heute so interessant, dass es nicht nur Wanderwege, sondern sogar Bücher, Filme und ein Musical über ihn gibt?
War er wirklich ein deutscher Robin Hood, der die Reichen bestohlen hat, um den Armen zu helfen? Oder war er ein gefährlicher und brutaler Raubmörder, der nur daran dachte, sich selbst zu bereichern? Ja, gab es ihn eigentlich wirklich?
Es gab ihn tatsächlich, den Schinderhannes, und ich möchte dir hier gerne über ihn berichten.
Diese Bilder von Schinderhannes und Julchen, seiner zeitweiligen Lebensgefährtin, sind Fotos von originalen Sepia-Zeichnungen im Gastraum des Gimbacher Hofs. Der verstorbene Künstler ist, laut Frau Schiela, der heutigen Besitzerin, Herr Müller-Pilgram aus Bad Soden. Er habe es von den Original-Steckbriefen aus dem Historischen Museum von Frankfurt am Main abgemalt und dem Gimbacher Hof als Geschenk gemacht.
Die Kinder wuchsen in der unruhigen Zeit der Französischen Revolution auf.
Dieser politische Streit breitete sich 1789 vom Nachbarland Frankreich über ganz Europa aus. Das einfache Volk setzte sich gegen die Unterdrückung und Ausbeutung durch die reichen Adeligen und des Klerus (Bischöfe und Priester) zur Wehr und protestierte gegen die absolute Herrschaft des Königs Ludwig, dem Sechzehnten. Dieser führte mit seinem Hofstaat ein Leben in großem Luxus, während die einfachen Leute und die Bauern hohe steuerliche Abgaben zahlen mussten, hart arbeiteten und trotzdem wenig zu essen hatten. Schlagworte wie Gleichheit, Einigkeit und Brüderlichkeit sollten den Menschen verdeutlichen, dass eine große soziale Ungerechtigkeit herrschte, die man beseitigen wollte. Der Konflikt spitzte sich jedoch immer dramatischer zu, so dass viele Menschen dabei ums Leben kamen und auch der König und seine Frau hingerichtet wurden.
Kriegerische Auseinandersetzungen, Hunger und Not waren auch in Deutschland an der Tagesordnung. Städte und Dörfer wurden von durchziehenden Soldaten geplündert, die Ernte zerstört.
Wie zahlreiche andere Familien dieser Zeit, lebten auch die Bücklers in ärmlichen Verhältnissen. Die Eltern versuchten, das Geld für den Lebensunterhalt durch verschiedene Tätigkeiten zu verdienen.
So arbeitete der Vater von Johannes zeitweise als Scharfrichterknecht und als Abdecker, auch Schinder genannt.
Ein Scharfrichterknecht half bei der Hinrichtung von Menschen, die zum Tode verurteilt wurden. Die Begriffe Abdecker und Schinder werden im nächsten Unterpunkt erklärt.
Trotz dieser Arbeiten des Vaters reichte das Geld oft nicht aus für die große Familie.
So trug auch die Mutter durch Garten- und Handarbeiten dazu bei, das Geld für das tägliche Brot zu beschaffen.
Ein Abdecker oder Schinder verwertete die Reste der toten Tiere. So zog er ihnen zum Beispiel die Felle ab, um sie zu Leder weiter zu verarbeiten oder er stellte aus den Knochen Seife und Leim her.
Bei diesen Tätigkeiten entstanden sehr üble Gerüche. Deshalb galt der Beruf des Abdeckers oder Schinders als schmutzig und „unehrlich“, was so viel bedeutete wie „ohne Ehre“. Ja, man glaubte sogar, von dieser „Unehrlichkeit“ angesteckt zu werden, alleine durch die Berührung mit einem solchen Menschen.
Es war also alles andere als ein angesehener Beruf, den der Vater des Johannes ausübte. Daher durften sie, wie alle anderen dieser Berufsgruppe, nur außerhalb der Ortschaften und abseits von anderen Menschen wohnen.
Durch den Beruf des Vaters als Schinder stand die Familie auf der untersten Stufe der Gesellschaft. Du kannst dir bestimmt denken, dass deshalb nicht viele Menschen etwas mit Johannes, seinen Geschwistern und seinen Eltern zu tun haben wollten. Andere Kinder durften sicherlich auch nicht zu Besuch kommen oder mit ihnen spielen.
Als der kleine Johannes noch keine vier Jahre alt war, musste die ganze Familie, wegen eines Diebstahls der Mutter, aus ihrem Wohnort fliehen.
Der Vater trat anschließend in den Militärdienst ein. Von dort entfernte er sich aber ohne Erlaubnis wieder, weshalb er als sogenannter Deserteur (das ist jemand, der aus dem Militärdienst flüchtet oder zum Feind überläuft) erneut fliehen musste. Die Familie reiste ihm hinterher und wechselte danach noch weitere Male ihren Wohnsitz.
Aus all diesen Gründen hat der kleine Johannes wahrscheinlich wenig Freunde finden können.
Man nimmt an, dass der kriminelle Lebenslauf des Johannes Bückler begann, als er gerade fünfzehn Jahre alt war und versucht haben soll, französische Soldaten zu bestehlen. Einer Verhaftung konnte er jedoch durch Flucht entgehen. Von diesem Zeitpunkt an hatte er bereits den Ruf eines Herumtreibers und Gauners.
Den Namen Schinderhannes erhielt er durch seine Lehre, die er, wie schon sein Vater und Großvater, als Abdecker oder Schinder begann. Es war damals üblich, dass die Söhne wieder den Beruf des Vaters ausübten. Außerdem galten auch die Kinder dieses Berufszweiges als unehrlich und hätten nur sehr schwer einen anderen Beruf ergreifen können.
Doch als Johannes auch bei seinem Lehrmeister wiederholt durch Diebstahl auffiel, bekam er immer wieder große Schwierigkeiten. Schließlich beschloss er, seine Ausbildung abzubrechen, in die Wälder zu fliehen und als Räuber seine kriminelle Laufbahn fortzusetzen.Das abenteuerliche und verbrecherische Leben des Schinderhannes nahm nun seinen Lauf.
Zunächst schloss er sich in den Wäldern des Hunsrücks verschiedenen Ganoven an. Er wurde festgenommen und in der Stadt Simmern in den Gefängnisturm gesperrt. Dieser ist noch heute zu besichtigen.
Aus diesem Gefängnis konnte er jedoch erneut fliehen und seine Straftaten ungehindert fortsetzen.
Immer wieder gab er sich mit weiteren berüchtigten Verbrechern ab und ging mit ihnen auf Raubzüge.
Mit 94 weiteren Mittätern können dem Schinderhannes 130 Straftaten nachgewiesen werden. Die Prozessakten sind noch heute einsehbar und füllen ganze Bücher.
Man kann also sagen, dass er ein richtiger Serien-Straftäter war. Auf sein Konto gehen demnach etliche Diebstähle (z.B. von Pferden, Schweinen, Stoff, Lebensmitteln, Kleidung, Geld und Schmuck), Erpressung und Raubüberfälle.
Um seine Forderungen durchzusetzen, schreckte Schinderhannes auch vor Brutalität nicht zurück. Außerdem war er an mehreren Straftaten mit Todesfolge beteiligt.
Da er bei seinen Untaten mit seinem Rufnamen „Schinderhannes“ prahlte, Droh- und Erpresserbriefe mit seiner Unterschrift gegenzeichnete, war er bald als gefährlicher Räuber bekannt und in vielen Familien gefürchtet.
Erwiesen ist es jedenfalls, dass man mit den Namen „der Schwarze Jonas“ oder „der Schwarze Peter“, Spitznamen zeitweiliger Räubergesellen des Schinderhannes, den Kindern gedroht hat, falls sie nicht artig waren.
Möglich ist es auch, dass manche Eltern ihre Kinder gewarnt haben: „Komm nicht so spät nach Hause, sonst holt dich der Schinderhannes!“
Vor einiger Zeit gab es im Museum in Kelkheim eine Sonder-Ausstellung, die auch über den Schinderhannes berichtet hat. Vielleicht hast du sie sogar besucht. Sie lautete: „Das Rhein-Main-Gebiet zur Zeit der Französische Revolution und Napoleons“, zusammengestellt von Dr. Mark Scheibe. Dort fand sich auch diese Nachbildung einer Räuberherberge.
In der sogenannten Hasenmühle in der Nähe von Schlossborn soll sich Schinderhannes um 1800 längere Zeit mit einigen Kumpanen aufgehalten haben. Hier haben sie wahrscheinlich viele ihrer Untaten geplant und ihr Diebesgut aufbewahrt.
Wie es dort heute von außen aussieht, kannst du auf den folgenden Fotos sehen. Vielleicht hast du ja Lust, einmal mit deinen Eltern einen Ausflug dorthin zu machen. Ein sehr schöner Wanderweg führt von Schlossborn aus direkt zum ehemaligen Unterschlupf, der noch heute in einer sehr idyllischen Landschaft liegt.
Im Jahr 1802 gelang schließlich seine endgültige Festnahme bei Wolfenhausen im Taunus. In Mainz wurde ihm der Prozess gemacht und 1803, ein Jahr später, wurde er mit gerade einmal 24 Jahren auf der Guillotine (sprich: Giotin oder Giotine) hingerichtet.
Neunzehn weitere seiner Mittäter wurden auf die gleiche Weise bestraft und verloren ebenfalls ihr Leben durch das Fallbeil. Die Übeltäter mussten sich unter ein Holzgestell legen, dann schoss ein Fallbeil herab und trennte ihnen den Kopf ab. Das klingt grausam, war aber in der damaligen Zeit ein häufiges Strafmittel für sehr schwere Verbrechen.
Viele andere Mittäter wurden ebenfalls bestraft, zum Beispiel durch Gefängnis oder Ausweisung aus dem Land.
Das Foto zeigt eine Guillotine, die baugleich war mit jener, unter der Schinderhannes sein Leben verlor. Es wurde mir freundlicherweise von Dr. Scheibe zur Verfügung gestellt.
Vater und Mutter von Schinderhannes gingen ebenfalls nicht ohne Strafe aus. Sie wurden einen Tag nach der Hinrichtung ihres Sohnes zusammen mit einer zehn- oder fünfzehnjährigen Tochter öffentlich an den Pranger gestellt.
Dies bedeutete, dass sie sich an einem öffentlichen Platz, angebunden an einer Säule oder einem Pfahl, der allgemeinen Verachtung aussetzen mussten. Hier durften sie von der übrigen Bevölkerung wegen ihrer Straftaten beschimpft und sogar bespuckt werden.
Auch heute noch wird dieser Begriff jemanden an den Pranger stellen benutzt, wenn jemand öffentlich bloßgestellt oder kritisiert wird.
Der Vater starb knapp einen Monat später an einer Krankheit, die Mutter starb neun Jahre später.
Die oben genannte Schwester des Schinderhannes hieß Maria Catharina Bückler. Sie heiratete und gebar zehn Kinder. Bevor sie 60 Jahre später starb, soll sie jedoch ebenfalls viele Diebstähle begangen haben und mehrmals zu Zuchthaus verurteilt worden sein. Zum Zeitpunkt des Todes von Schinderhannes soll es noch einen Bruder gegeben haben. Was aus ihm wurde, ist nicht bekannt.
Johannes Bücklers letzte Lebensbegleiterin und Mutter seines damals einjährigen Sohnes war Juliana Blasius, genannt Julchen. Sie wurde zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Schließlich hatte sie an einigen Raubzügen teilgenommen und sich ebenfalls am Diebesgut bereichert.
Der gemeinsame Sohn Franz Wilhelm wurde von Pflege-Eltern groß gezogen und adoptiert. Er soll später beim Militär den Rang eines Unteroffiziers erworben haben. Von ihm gibt es heute noch direkte Nachfahren.
Schinderhannes hatte noch vier weitere Kinder mit anderen Frauen. Diese traten jedoch ebenfalls nicht in die kriminellen Fußstapfen ihres Vaters.
Es gibt viele Geschichten und Sagen zur Person des Schinderhannes. Oft wird er als deutscher Robin Hood dargestellt, der nicht für sich selbst, sondern für die Armen gestohlen haben soll. So zum Beispiel auch in einem alten Film von 1958 mit den damals berühmten Schauspielern Curd Jürgens und Maria Schell, die deine Großeltern bestimmt kennen.
Du weißt aber nun, dass der Schinderhannes kein ehrenvoller Räuber war, der gestohlen hat, um armen Menschen zu helfen.
Nein, er verrichtete seine Straftaten vielmehr, um sich selbst, seine Familie und seine Kumpanen zu bereichern. So ließen sie sich aus den gestohlenen Stoffen teure Kleidung und Gewänder herstellen und feierten mit ihrem Diebesgut ausgelassene Feste und Gelage.
Johannes Bückler wurde auch nicht aus persönlicher Not zu einem Verbrecher. Vielmehr hatte er seine Berufsausbildung abgebrochen und wollte zu Geld und Reichtum kommen, ohne eine ordentliche Arbeit auszuüben.
Im Vordergrund stand möglicherweise seine Freude am Stehlen und die Gier nach immer mehr Reichtum. Schließlich schreckte er auch vor Brutalität und Mord nicht zurück, was ihm letztendlich selbst zum Verhängnis wurde.Oben im Foto siehst du die Art von Waffen, mit denen der Schinderhannes und andere Verbrecher ihre Opfer bedroht haben.
Dr. Mark Scheibe, wissenschaftlicher Leiter des Forschungsportals Schinderhannes, führt auch Wanderungen durch, auf denen er sehr interessant und spannend über die Untaten des Schinderhannes berichtet.
Hier siehst du Dr. Scheibe auf einer dieser Wanderungen. Das Kostüm zeigt ihn in einer für die damalige Zeit typischen Kleidung eines feinen wohlhabenden Herren. Ihn hätten Schinderhannes und seine Kumpanen mit Sicherheit gerne ausgeraubt!
Vielleicht hast du nun auch Lust bekommen, einmal an einer solchen Wanderung teilzunehmen? Oder du fragst Herrn Dr. Scheibe, ob er deine Klasse einmal im Rahmen eines heimatkundlichen Wandertages begleitet. Er ist gerne dazu bereit.
Einige Informationen, Büchertipps zum Schinderhannes und mehr findest du hier.
Vielleicht habe ich dich nun neugierig gemacht und du möchtest noch mehr erfahren über den Verbrecher Schinderhannes.
Jedenfalls kannst du nun bestimmt verstehen, warum manche Leute es kritisch sehen, dass man Wanderwege nach einem Verbrecher wie den Schinderhannes benennt. Viele Informationen zu diesem Artikel habe ich von Herrn Dr. Mark Scheibe, der in Kelkheim lebt und schon einige Bücher zum Schinderhannes geschrieben hat. Zum Beispiel: „Schinderhannes – Nichtsnutz, Pferdedieb, Räuberhauptmann?“ Darin kannst du auch einige Sagen über den Schinderhannes nachlesen.
Zahlreiche weitere Sagen und Geschichten ranken sich ebenfalls um die Person des Schinderhannes. Doch du weißt ja, im Gegensatz zu Märchen haben Sagen zwar einen wahren Hintergrund (man nennt das einen „historischen Kern“), vieles darin ist allerdings erfunden und dazu erzählt.
So ist es wissenschaftlich auch nicht nachweisbar, ob der Schinderhannes jemals in der Gaststätte „Am Gimbacher Hof“ gewesen ist. Laut Frau Schiela ist es jedoch möglich, da dieser Hof bereits zur damaligen Zeit existierte und – ebenso wie die Hasenmühle – sehr einsam gelegen war. Jedenfalls hängen heute in der Gaststube die Bilder des Räubers sowie seiner zeitweiligen Gefährtin Julchen. Auch ein sogenanntes Schinderhannes-Buffet kann man dort essen.
Weitere Informationen, Sagen und Tatsachenberichte findest du außerdem im Internet, z. B. auf der Seite www.forschungsportal-schinderhannes.de
oder im Buch:
Scheibe, Mark: Schinderhannes. Nichtsnutz, Pferdedieb, Räuberhauptmann?, Kelkheim, 2010, 5. Auflage
oder bei weiteren immer wiederkehrenden Ausstellungen.
Viel Freude bei deinen Nachforschungen wünscht dir
Birgit Gröger
(Birgit Gröger)